das Leben ist das Leben

Er wird zu seinem kranken Vater gerufen, trifft im Krankenhaus auf seinen Cousin, den er ewig nicht gesehen hat. Sie quatschen eine dreiviertel Stunde, dann geht er zu seinem Vater. Im Zimmer erfährt er, dass dieser vor 20 Minuten gestorben ist. Mich würde nicht wundern, wenn dieser Mensch nun für immer schweigt...
NeonWilderness - June 11, 12:06

Zurecht. 5min Cousin hätten's auch getan. Besonders, wenn man "zu seinem kranken Vater gerufen" wird. Das klingt für mich nicht, als könnte/sollte man sich da sehr viel Zeit lassen. Auch hier zählt: Manchmal muss man Prioritäten setzen. Jemand hat da offensichtlich die Falschen gesetzt.

die_ginny - June 11, 12:58

Herr Neon, bei allem Respekt: Das ist ein recht hartes, vorschnelles Urteil. Und selbst, wenn ein "selber schuld" irgendwie berechtigt wäre, änderte das nichts an der Tragik der Situation. Der arme Kerl muss damit jetzt leben und da ich aus Calis Beitrag lese, dass ihm das nicht unbedingt leicht fällt, weiß er vielleicht durchaus Prioritäten zu setzen.
NeonWilderness - June 11, 14:17

Frau Ginny - ich verstehe Ihren Einwand. Und ich möchte anmerken, dass ich Mitgefühl für den Sohn habe, der sich nicht von seinem Vater verabschieden konnte, zumal er das ganz sicher sein restliches Leben mit sich tragen wird eben WEIL er die Möglichkeit hatte, das zu tun. Das ist die Gefühlsebene.

Die sachliche Ebene zu bewerten, ist etwas anderes. Eine Dummheit bleibt eine Dummheit, auch wenn sie einem danach Leid tut. Ein Versäumnis bleibt ein Versäumnis, auch wenn man es anschließend bedauert. Könnten Sie sich vorstellen, 45 Minuten mit jemandem zu plauschen, wissend, dass ein paar Zimmer weiter ihr Vater mit dem Leben ringt? Ich kann das nicht. Ich gehe da mit Herrn Pathologen einig: Jeder ist für seine Handlungen verantwortlich und muss dann auch mit den Konsequenzen leben.
die_ginny - June 11, 15:49

"Könnten Sie sich vorstellen, 45 Minuten mit jemandem zu plauschen, wissend, dass ein paar Zimmer weiter ihr Vater mit dem Leben ringt?"

Nein. Aber das "wissend" ist eben der Aspekt, den Sie unterstellen. Im Beitrag steht weder, woran der Vater verstarb, noch aus welchem Grund sein Sohn gerufen wurde. Vielleicht brauchte er frische Wäsche nach einer Blinddarm-OP und dummerweise platzte zufällig danach eine Ader im Hirn. Vielleicht lag er wirklich im Sterben und sein Sohn hat die Prioritäten verwirrt behandelt. Aber das sind Vermutungen, auf deren Basis man meiner Meinung nach mit Urteilen vorsichtig umgehen sollte; gerade, wenn es nicht eigentlich um ein Urteil geht, sondern um eine besonders traurige Situation.
NeonWilderness - June 11, 16:49

Sie haben prinzipiell Recht. Jeder, der nicht selbst dabei war und Caliente's Zeilen liest, interpretiert. Wie womöglich jeder passive Leser basiere ich meine Interpretationen auf Wahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es für eine ernstere Situation spricht, wenn
a. ein Sohn zu seinem im Krankenhaus liegenden Vater gerufen wird, der
b. kurz danach verstirbt
ist aus meiner Sicht wesentlich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass es um "schmutzige Wäsche" ging.

Vielleicht kommen Sie zu anderen Wahrscheinlichkeiten oder lehnen es ab, mit Wahrscheinlichkeiten zu hantieren, solange Sie es nicht mit Bestimmtheit tun können. Auch das ist OK. Es ist eben eine andere Vorgehensweise und aus meiner Sicht schaut das Leben nicht immer abwartend zu, bis man alles mit Gewissheit weiß. Kann auch eine berufliche Konditionierung sein, wo man täglich Entscheidungen unter Unsicherheit treffen muss.
die_ginny - June 11, 17:31

Ich stimme Ihnen zu, dass Ihre Interpretation wahrscheinlicher ist als die mit der Wäsche. Noch wahrscheinlicher wäre, dass der Vater mit irgendeiner akuten Erkrankung eingeliefert und der Sohn darüber informiert wurde, ohne den Ernst zu ahnen. Vielleicht widerstrebt es mir einfach, irgendjemandem zu unterstellen, dass er sich locker und lange mit Bekannten unterhält, wissend, dass eine nahestehende Person währenddessen im Sterben liegt. Im Zweifel für den Angeklagten, der ja hier auch weder Motiv noch Vorteil zu haben scheint, sondern im Gegenteil unter dem Ergebnis vermutlich leidet. Und deswegen glaube ich lieber nicht, dass er es wusste.
NeonWilderness - June 11, 17:55

Leider machen Menschen viele unverständliche Dinge (aka Dummheiten) völlig ohne Motiv oder irgendeinen gedachten Vorteil. Aber ich schließe mich Ihrem Wunsch gerne an, dass der Mann nur ein tragisches Opfer seines Nichtwissens und Nichtahnens und Nichtängstigens war.
theswiss - June 11, 12:31

das ist hart.

Allegra - June 11, 13:07

...ogottogott...

pathologe - June 11, 13:09

Prioritaeten setzen ist eine Kunst. Wer es nicht kann, muss unter den Folgen leiden.

flyhigher - June 11, 13:26

Es ist sicherlich kein Trost, wenn ich hier nun kommentiere, dass im Allgemeinen alles, was passiert, Gutes wie Schlechtes, einen Sinn hat, wenn er auch oft auf Anhieb nicht erkennbar ist. Aber daran glaub ich halt.

kittykoma - June 11, 13:32

hm, es gibt so viele unbewußte prozesse.
das lange gespräch als verdrängungsmechanismus. (schon komisch, wenn jemand so ausufernd redet, wenn er zu seinem sterbenden vater gerufen wird.) auf der anderen seite gibt es fälle, wo jemandem das sterben leichter fällt, weil die engsten angehörigen nicht da sind, sondern nur die option, daß sie kommen, im raum ist.
der mann wird sich ewig vorwürfe machen. vielleicht sollte er aber auch nur einfach schauen, wann und wo ihm so etwas öfter "passiert" und es ändern.

sillerbetrachter - June 11, 21:03

ganz im gegenteil, finde ich. hoffentlich hat dieser mensch gelegenheit, mit vielen menschen darüber zu sprechen. selbstvorwürfe helfen ihm nicht und machen seinen vater eh nicht mehr lebendig. ich wünsche ihm, dass er zu lebzeiten seinem vater alles gesagt hatte, was noch zu klären war.

sokrates2005 - June 12, 14:58

Haben sie ...

das erfunden?

caliente_in_berlin - June 12, 15:00

Da muss ich leider verneinen.
sokrates2005 - June 13, 08:58

Schade ...

weil dann wär's nicht so traurig ...
caliente_in_berlin - June 13, 10:25

Fragen Sie mal die Schweizer...
gulogulo - June 13, 09:40

deshalb sage ich immer "wias is, so is. wärs anders, wärs anders".

albanoundrominapower - June 13, 09:50

Wow, das macht mich sprachlos. Im Gegenteil zu manch anderen...

[Was'n das für 'ne kranke Debatte hier oben?].

twoblog - June 13, 21:45

Quatschen ist Silber. Sterben ist Gold.


Miaka - June 13, 22:05

ich bin immer wieder aufs neue überrascht, wie viel emotionen du mit ein paar zeilen hervorrufen kannst, unabhängig vom inhalt.

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